halfway there

Lebensläufe – Frauenbilder

Freundinnen, Cousinen, Nachbarinnen, von links nach rechts aufgereiht, die Jüngste links, die Älteste rechts, Schülerinnen, Bäckerin, Krankenschwester, Kleinstadthimmel, Ruhrgebietsfrühjahr, Garagenwand und grüner Rasen mit Wäschestangen. Die Jungen, die Älteren, der Altersunterschied macht sich in vielem bemerkbar. In den Blicken, im sich vor die Kamera stellen. Hände halten, Hände posieren. Lächeln. Ein Wangenknochenrosa und kalte Finger.
Einhaken, eine Geste von Frauen, gegen andere Blicke schützen, sie doch anziehen und das Zusammensein zeigen. Wir, Du, Ich, eine Reihe in Röcken, eine fortlaufende Serie, auf unzähligen Familienfotografien, in schwarzweiß und später in Farbe.
Der Ruhrgebietshimmel und die Kühle des Frühjahrs halten dagegen. Steuern die Buntfaltenröcke, die Blusen und Pullover, die schmalen Frauenarmbanduhren in die Tristesse des Alltags. In die Missverständnisse, in ein Nichtverstehenkönnen der anderen, obwohl man sich ähnlich ist.
Die Umgebung wird trennen. Entweder man bleibt oder man verlässt. Andere Wege gehen, die gleichen Wege gehen, in der Geburtstadt bleiben, in eine andere Stadt ziehen, die Mütter besuchen, die Jugendfreundschaften vergessen, nie andere haben, so werden wollen wie die anderen, werden wollen wie man wird.
Und trotzdem sich in eine Reihe stellen, in die Kamera lächeln, sich einhaken und denken, das dies ein zerbrechlicher Tag sein wird, ein Tag in einem Frühjahr, in der Geburtstadt, mit den anderen auf einer Fotografie sein und die Erinnerung an Kühle auf Wangenknochen.

Birgit Szepanski

Résumés – images of women

Girlfriends, cousins, neighbours, in a row from left to right, the youngest left, the eldest right, pupils, baker, nurse, small town sky, Ruhr District spring, garage wall and green lawn with laundry poles. The young one, the older one; the age difference can be noticed in many ways. In their gazes, in the way they stand in front of the camera. Holding hands, posing hands. Smiling. A cheek bone pink and cold fingers.

Linking arms, a women’s gesture, protecting from other gazes, to get dressed anyway and show togetherness. We, you, I, a row of skirts, a continual series, in countless family photographs, in black and white and later in colour.

The Ruhr District sky and the coolness of spring counteract. Lead the coloured pleated skirts, the blouses and pullovers, the narrow women’s watches into the tristesse of daily life. Into misunderstandings, into not-being-able-to-understand, even though one is similar.

The environment will separate. Either one stays or leaves. Go separate ways, go the same way, stay in one’s hometown, move to another town, visit mothers, forget the friends of one’s youth, never have others, want to become like the others, want to become who one is.

And still stand in a row, smiling into the camera, arms linked and think that this will be a fragile day, a days in spring, in one’s hometown, with the others in the photograph and memories of coolness on cheek bones.

Birgit Szepanski

Und was aus uns geworden ist

Und was aus uns geworden ist, in den Vorstädten, wohin wir schauten und welche Jungs später unsere Männer geworden sind, und woran man das erkennt, was die Zukunft für uns bereit hält in diesen David-Lynch-Filmen unserer Jugend – die Leidenschaften und das:  Aufeinander blicken, zusammenstehen und sich unterhaken. – Diese Körpersprache aus einer längst vergessenen Zeit. – Und welche Weissagungen wir damals anstellten, wieder und wieder aus Anlass dieses Bildes: Wer hier fortgehen wird und wer bleiben zum Beispiel? Und wer keinen abkriegt später? Und von nun an machten wir dieses Dia also jedes Jahr am 13. März und warfen es an die Wand kurz darauf gemeinsam und heimlich in unseren Mädchenzimmern, jedes Jahr, eines über das andere, mit verschiedenen Projektoren aus verschiedenen Winkeln erfanden wir noch einmal auf unsere Weise die Kompositfotografie. Und es wurde eine Art Langzeitstudie mit uns selbst. Und Wehmut kam auf, als wir sahen, wie die Röcke kürzer und dann wieder länger wurden und irgendwann Hosen und als die erste von uns fehlte und begraben wurde und dann die zweite.

Rainer Totzke

And what became of us

And what became of us in the suburbs, where we looked and what boys became our husbands later and how one can spot that, what the future for us holds in those David Lynch films of our youth – passions and this: looking at each other, standing together and linking arms. This body language from a long-forgotten era. And what prophesies we made back then again and again based on this picture. Who will leave and who will stay here, for example? And who will be left on the shelf later? And from then on, we re-made this slide, every year on the 13th March and we projected it onto the wall just a short time afterwards together and secretly in our girl’s bedrooms, every year, one overlapping the other, with different projectors from different angles, we re-invented composite photography in our way. And it became a kind of long-term study of ourselves. And wistfulness came over us as we saw that the skirts got shorter then longer again and at some point trousers, and when the first in our group didn’t come and was buried and then the second one.

Rainer Totzke