landscapes

Landschaften im Wohnzimmer

Ein Zimmer, mit einer Tür zu weiteren Räumen. Ein geschlossenes Fenster. Draußen Leere. Im Zimmer tauchen aus der Dunkelheit Konturen auf: Anstiege, Vertiefungen, Lichtbrechungen, Hohlräume, Tiefen und Licht. Licht, das umsäumt. Licht, das in der Dunkelheit entsteht. Die Wände treten zurück, weiten sich, die Raumecken lösen sich auf.
Satte Dunkelheit. Das Zimmer verschwindet. Eine Landschaft entsteht. In ihr liegen weitere Landschaften: Gebirge, Ebenen, entfernte Städte, Autobahnnetze, zerklüftete Ländzüge. Sie breiten sich aus, bilden sich im dämmrigen Feld des Zimmers ab, zeichnen sich in die Wände hinein, multiplizieren sich und verlaufen in einen endlos aufgefächerten dämmrigen Raum.
Hinter der Tür befindet sich Dunkelheit, hinter dem Fenster eine schwarze Leere – im Augenblick, in dem die Fotografie gemacht wurde und im Blick, den der Fotograf einnahm.
Samtige Dunkelheit und eine endlose Tiefe im Zimmer. Eine Inszenierung, die jedes Jahr auflebt. Die das Zimmer verschwinden lässt, die einen Ort für verloren gegangene Bilder schafft. Sehnsuchtsbilder. Landschaftsbilder. Dunkelheitsbilder. Lichtlandschaften. Licht, dass schmale Konturen, Lichtpunkte, einzelne Spektren entwirft, gerade so, dass der verschwimmende Blick den Weg in jene endlose Zimmer-Landschaften finden kann.

Birgit Szepanski

Landscapes in the living room

A room with a door onto other rooms. A closed window. Outside emptiness. In the room, contours appear in the darkness: Rises, falls, light refractions, hollows, depths and highlights. Light that surrounds. Light that is created in the darkness. The walls recede, widen, the corners of the room dissolve.

Lush darkness. The room disappears. A landscape is created. In it, more landscapes lie: mountains, plains, faraway cities, motorway networks, jagged regions. They spread out, map themselves onto the dim area of the room, etch themselves into the walls, multiply and get lost in an endlessly fanned out, dimly-lit room.

Behind the door is darkness, behind the window is a black emptiness – in the instant that the photograph was taken, and in the view that the photographer took in.

Velvety darkness and an endless depth in the room. A mise en scéne that is revived every year. That makes the room disappear, makes a place for lost pictures. Pictures of longing. Landscape pictures. Darkness pictures. Light landscapes. Light that creates narrow contours, highlights, individual spectrums, just so that the floating view can find its way in that endless room landscape.

Birgit Szepanski

Aurafotografie

Weihnachten. So muss Weihnachten aussehen: echter Baum, echte Kerzen, echtes Licht, echte Weihnachtslieder (zumindest die Liedanfänge und der Refrain) im Hintergrund, natürlich die echte Weihnachtsgeschichte: Jesus Christus, Bethlehem, drei Könige on the road aus dem Morgenland, Sterne und Engel sowieso überall – wer’s glaubt wird selig – als invented tradition mit echten Gefühlen verbunden, messbar auf der Großhirnrinde. Und eine echte Fotografie davon zu machen ist möglich, ist sogar notwendig, weil es Weihnachten erst zu Weihnachten macht in unserem Sinne, das heißt: es erst als Gesamtkunstwerk sichtbar werden lässt in Wirklichkeit, und die Aura wird natürlich auch abgelichtet nebenbei. – Es geht also doch noch: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit und den Begriff der Aura zusammenzudenken! Man müsste kleine Fotoapparate in diesen Weihnachtsbaum hineinhängen aus Dankbarkeit. Das ist Kunst!

Rainer Totzke

Aura photography

Christmas. This is what Christmas should look like: real tree, real candles, real light, real Christmas carols (at least the beginning of carols and the chorus) in the background, of course, the real Christmas story. Jesus Christ, Bethlehem, the Three Kings on the road from the Orient, stars and angels everywhere, that goes with out saying – who believes is blessed – as invented tradition linked to real feelings, detectable on the cerebral cortex. And to take a real photograph of all this is possible, even necessary, because it then turns Christmas into Christmas for our senses. And that means it is only made visible as a complete work of art in reality and the aura is photographed in passing. It is therefore still possible: the work of art in the age of its technical reproducibility and associating it with the term aura! Little cameras should be hung on the Christmas tree out of sheer gratitude. That is art!

Rainer Totzke